Ulcus Cruris
Im Überblick
- Der Name Ulcus cruris leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet Unterschenkelgeschwür
- Ulcus cruris wird auch offenes Bein genannt
- In den meisten Fällen steckt entweder eine chronisch-venöse Insuffizienz dahinter – eine Erkrankung der Venen – oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit – eine Erkrankung der Arterien
- Ulcus ist nicht gleich Ulcus – die Diagnose muss stimmen: Handelt es sich um ein Ulcus cruris venosum, Ulcus cruris arteriosum oder Ulcus cruris mixtum? Davon hängt die Therapie ab
Was ist ein Ulcus cruris?
Der Begriff „Ulcus Cruris“ bezeichnet eine chronische Wunde am Unterschenkel, die nicht heilen will. Der Volksmund spricht manchmal von einem „offenen Bein“. Ulcus bedeutet im Lateinischen Geschwür und cruris leitet sich von dem lateinischen Wort für Unterschenkel ab. Ein Ulcus cruris tritt also nicht an den Füßen auf wie der Diabetische Fuß. Der Begriff Ulcus cruris bezeichnet also lediglich den Ort einer Wunde, es ist noch keine Diagnose. Für eine Diagnose muss der Arzt herausfinden, welche Ursachen hinter einem Ulcus cruris stecken. Erst wenn die jeweilige Ursache behandelt wird (Kausaltherapie), kann die Wundversorgung (Lokaltherapie) zum Erfolg führen.
Was sind die Ursachen für ein Ulcus cruris?
Grundsätzlich ist für ein Ulcus cruris in der Regel eine mangelnde Nährstoffversorgung von Gewebe und Haut infolge einer bestimmten Grunderkrankung verantwortlich. Dabei können zwar verschiedene Grunderkrankungen zu einem offenen Bein führen, die bei weitem häufigsten Ursachen sind aber eine Venen- und/oder Arterienschwäche.
Kurz erklärt
Unterschied zwischen Arterien und Venen
Während die Venen die Aufgabe haben, verbrauchtes Blut zum Herzen hin abzutransportieren, sind die Arterien dafür da, sauerstoffreiches Blut vom Herzen im Körper zu verteilen.
Die häufigsten Krankheitsbilder, die ein Ulcus Cruris zur Folge haben können, sind:
- Chronisch-venöse Insuffizienz: Venenerkrankung, bei der sich das Blut in den Beinen staut und nicht optimal zum Herzen zurückfließt. In der Folge leidet die Nährstoffversorgung der Haut am Unterschenkel und ein Ulcus cruris venosum (venöses Beingeschwür) kann entstehen. Diese Grunderkrankung ist bei Weitem die häufigste Ursache für ein offenes Bein – bis zu 70% aller Ulcus cruris sind auf eine Venenschwäche zurückzuführen
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Arterielle Durchblutungsstörung am Unterschenkel, bei der sich Gefäße verengen oder sogar verschließen (betroffen sind meist Bein- und Beckenarterien). Durch die Unterversorgung der Haut mir Nährstoffen und Sauerstoff entsteht schon bei leichten Verletzungen ein Ulcus cruris arteriosum (arterielles Beingeschwür). In ca. 10% der Fälle ist eine solche arterielle Durchblutungsstörung für ein Ulcus cruris verantwortlich
- Gemischt venös-arterielle Erkrankung: Es kann auch vorkommen, dass sowohl der venöse und der arterielle Blutkreislauf beschädigt sind. Dieses Krankheitsbild kommt bei ca. 10 % der Betroffenen eines offenen Beines vor. Ein hieraus entstehendes Beingeschwür wird als Ulcus cruris mixtum bezeichnet
- Diabetes mellitus: Auch bei Stoffwechselerkrankungen wie zum Beispiel einem Diabetes mellitus besteht die Gefahr eines offenen Beines. Durch die Diabetes kann es zu einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) oder einer Schädigung der Nerven kommen (Polyneuropathie)
Daneben können noch eine Reihe weiterer Grunderkrankungen für ein offenes Bein ursächlich sein. Hierzu zählen zum Beispiel rheumatische Erkrankungen (rheumatoide Arthritis), Tumore, Infektionen oder genetische Defekte (Klinefelter-Syndrom).
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Weitere seltene Ursachen
- Vaskulitis (Gefäßentzündung), z.B. rheumatoide Arthritis
- Dermatosen (chronische Hauterkrankungen), z.B. Pyoderma gangraenosum, Necrobiosis lipoidica
- Äußere Auslöser durch Verletzung oder Kontaktallergie
- Infektionen, durch Viren (z.B. Zoster), Bakterien (z.B. Lues maligna), Pilze oder Protozoen (z.B. Leishmaniose)
- Tumore, z.B. Basaliom, Plattenepithelkarzinom, malignes Melanom
- Hämatologische Erkrankungen, das heißt Erkrankungen des blut(bildenden) Systems, z.B. verschiedene Anämieformen
- Nebenwirkungen von Medikamenten, z.B. Hydroxyurea, Cumarine
- Neuropathische Ursachen (Nervenerkrankungen), z.B. Polyneuropathie, Multiple Sklerose, Spina bifida
- Genetische Defekte, z.B. Klinefelter-Syndrom
Wie wird ein Ulcus cruris diagnostiziert?
Hinter einem Ulcus cruris können also ganz verschiedene Erkrankungen stecken. Deshalb ist eine genaue Diagnostik Voraussetzung für eine Wundheilung. Doch immer wieder plagen sich Patienten über viele Jahre mit chronischen Wunden herum, ohne dass geklärt ist, ob eine chronisch-venöse Insuffizienz oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit Ursache für das Geschwür ist. Wenn eine Wunde trotz Therapie nach zwei Monaten keine Anzeichen von Heilung zeigt – spätestens dann sollten Patienten einen Wundspezialisten aufsuchen.
Für die Diagnostik bietet die ABCDE-Regel eine Orientierung:
- A wie Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten zu seiner „Wundgeschichte“. Er fragt nach sonstigen Beschwerden und Erkrankungen sowie nach Krankheiten in der Familie.
- B wie Bakterien: Ein bakteriologischer Abstrich kann Aufschluss darüber geben, ob zum Beispiel multiresistente Erreger vorliegen. Doch selten sind Bakterien alleinige Ursache chronischer Wunden.
- C wie Klinische Untersuchung: Hierbei schaut sich der Arzt die Wunde genau an: Wo liegt die Wunde, wie sieht die Wunde genau aus, wie sind Wundrand und Wundumgebung beschaffen (s. Tabelle)? Solche Details können schon Aufschluss über die Ursachen geben.
- D wie Durchblutung: Dafür wird sowohl das arterielle als auch venöse Gefäßsystem untersucht. Um die Funktion der Arterien zu testen, tastet der Arzt die Fußpulse und bestimmt den Knöchel-Arm-Index (s. periphere arterielle Verschlusskrankheit und Ulcus cruris arteriosum). Ein Wert von unter 0,9 gilt als Hinweis für eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, was mittels Ultraschall bestätigt werden sollte. Ein Ultraschall der Beinvenen gibt Aufschluss über eine mögliche chronisch-venöse Insuffizienz.
- E wie Extras: Damit ist eine weiterführende Diagnostik gemeint wie beispielsweise eine Gewebeprobe oder Untersuchungen, die einer Polyneuropathie im Rahmen eines Diabetes mellitus auf die Spur kommen können.
Ulcus cruris venosum | Ulcus cruris arteriosum | |
---|---|---|
Wo befindet sich das Geschwür? | Innenknöchel (beim Gamaschenulcus um den ganzen Unterschenkel herum) | Außenseite des Unterschenkels, ggf. am Schienbein |
Welche Grunderkrankung liegt vor? | chronisch-venöse Insuffizienz | periphere arterielle Verschlusskrankheit |
Welche Schmerzen treten auf? |
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Wie sieht die Haut aus? |
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Sind die Beine geschwollen? | Ödeme am Knöchel oder Unterschenkel | Keine |
Wie ist die Temperatur der Haut? | Warm | Kalt |
Sind Fußpulse tastbar? | Tastbar | Nicht oder kaum tastbar |
Wie sieht der Wundrand aus? | diffuser Wundrand | klar abgegrenzter Wundrand |
Wie ist die Wunde beschaffen? |
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Wie wird ein Ulcus cruris therapiert?
Ist die Diagnose abgesichert, heißt es, mit der Therapie den erschlafften Venen oder verkalkten Arterien auf die Sprünge zu helfen. Bei der chronisch-venösen Insuffizienz sollten also gegebenenfalls Krampfadern verödet oder gezogen, defekte Venenklappen rekonstruiert werden. Zentral ist die Kompressionstherapie, begleitet von Bewegung und Sport. So kann die Muskelpumpe die Kompression durch Strumpf oder Bandagen unterstützen. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn auch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit mitbeteiligt ist: Dann muss der Arzt sorgfältig abwägen, ob Kompressionsstrümpfe oder -bandagen zu verantworten sind.
Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, die rauchen, sollten sich vor allem darum bemühen, von der Zigarette loszukommen. Auch andere Faktoren, die die Gefäße schädigen, sollten sie in den Griff zu bekommen, wie Bluthochdruck, zu hohe Blutzucker- und Blutfettwerte. Kathetereingriffe oder eine Bypassoperation, verbunden mit durchblutungsfördernden Medikamenten können die Arterien wieder durchgängiger machen. Ein Gehtraining in Intervallen steht bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Zentrum der Behandlung, insbesondere wenn die Krankheit noch nicht so weit fortgeschritten ist.
Zur Versorgung der Wunde gehören eine regelmäßige Wundreinigung und eine Wundtoilette (Débridement), um abgestorbenes Gewebe, Fremdkörper, Abfallstoffe oder überschüssiges Exsudat zu entfernen, sowie ein geeigneter Verband oder Wundauflage, welche eine schnellere Wundheilung ermöglichen. Die Wahl der Wundauflage hängt zum Beispiel davon ab, in welcher Wundheilungsphase sich das Ulcus befindet, wie viel Exsudat es absondert und wie Wundrand und Wundumgebung aussehen.
Wichtiger Hinweis
Viele Patienten mit einer chronischen Wunde haben starke Schmerzen. Das kann zermürbend sein und beeinträchtigt die Wundheilung. Der Arzt sollte eine Therapie mit Schmerzmedikamenten koordinieren – falls Sie immer weiter Schmerzen haben, sprechen Sie Ihren Arzt darauf an! Geeignete Wundauflagen können Schmerzen beim Verbandwechsel in Grenzen halten.
Weiterführende Informationen
- Kerstin Protz: Moderne Wundversorgung. Elsevier 2016 (8. Auflage)
- Joachim Dissemond: Ulkus ist nicht gleich Ulkus. In: Heilberufe 5/2018, 24-26.
- Initiative Chronische Wunden e.V.: https://www.icwunden.de/fileadmin/Fachinfos/Standards/ABCDE-Regel.pdf
- Adressen Wundzentren: https://www.wundnetze.de/wundnetze-in-deutschland/