Offenes Bein
Im Überblick
- Ein offenes Bein ist eine chronische Wunde an den Beinen. Der Fachausdruck lautet Ulcus cruris
Ursache ist in vielen Fällen eine Venenschwäche, die chronisch-venöse Insuffizienz (CVI). Seltener sind arterielle Durchblutungsstörungen wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) veranwortlich - Ein Ulcus cruris venosum liegt vor, wenn die Wunde auf eine chronisch-venöse Insuffizienz zurückzuführen ist. Von einem Ulcus cruris arteriosum spricht man, wenn die Wunde auf der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit beruht
- Die Symptome eines offenen Beines unterscheiden sich deutlich, je nachdem, ob die Ursache der Wunde auf der chronisch-venösen Insuffizienz oder auf der peripheren arterielle Verschlusskrankheit beruhrt
- Es werden viele verschiedene Techniken zur Diagnose genutzt wie zum Beispiel der Knöchel-Arm-Druck-Index, die Doppler-/Farbduplexsonographie und die Phlebografie sowie Blut- und histologische Untersuchungen
- Die Therapie eines offenen Beines ist sehr komplex. In der Kausaltherapie versucht man, die Grunderkrankung zu bekämpfen. In der Lokaltherapie geht es um die Behandlung der Wunde direkt.
Was ist ein offenes Bein?
Die meisten Menschen haben schon einmal den Begriff offenes Bein gehört. Was sich jedoch genau dahinter verbirgt, ist vielen nicht ganz klar. Mediziner bezeichnen tiefe Wunden an den Beinen als Ulcus cruris. Die Wörter stammen aus der lateinischen Sprache: ulcus heißt Geschwür, cruris bedeutet „des Unterschenkels“. Ein offenes Bein zählt zu den chronischen Wunden. Dazu gehören alle Wunden, die nicht innerhalb von acht Wochen abheilen. Unterschiedliche Grunderkrankungen können für ein offenes Bein ursächlich sein.
Für Patienten ist ein offenes Bein eine große Belastung. Die Wunde heilt sehr langsam, die Behandlung kann Monate und sogar Jahre dauern. Wenn sich die Wunde entzündet und stark riecht, ziehen sich die Betroffenen oft völlig von Freunden und Bekannten zurück. Sie sollten sich daher so schnell wie möglich Hilfe bei Wundspezialisten holen.
Was sind die Ursachen?
Folgende Erkrankungen können für ein offenes Bein ursächlich sein:
- In bis zu 80 Prozent aller Fälle geht ein offenes Bein auf eine Venenschwäche, die sogenannte chronisch-venöse Insuffizienz (CVI), zurück. Wird sie nicht richtig behandelt, entwickelt sich über die Jahre aus kleinen Verletzungen ein Ulcus cruris venosum, die schwerste Form der chronisch-venösen Insuffizienz
- Arterielle Durchblutungsstörungen sind ebenfalls Gefäßerkrankungen, medizinisch periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) genannt. Sie ist mit ca. zehn Prozent für die Entstehung eines offenen Beines, eines Ulcus cruris arteriosum, verantwortlich
- In seltenen Fällen sind gleich beide Blutkreisläufe, also der venöse und der arterielle, betroffen. Folgerichtig heißt ein solches Geschwür Ulcus cruris mixtum
- Daneben können noch andere Erkrankungen ein offenes Bein verursachen, wie zum Beispiel rheumatische Erkrankungen (rheumatoide Arthritis), Tumore, Infektionen, ein Dekubitus oder genetische Defekte (Klinefelter-Syndrom).
Ursache Venenschwäche im Detail
Bei einer Venenschwäche ist der Fluss des Blutes behindert. Die Venen schaffen es nicht, das Blut in den Beinen schnell genug in Richtung Herzen zu transportieren. In der Regel dauert es aber viele Jahre, bis man - über das Stadium „schwache“ Venen hinaus - an einer chronisch-venösen Insuffizienz leidet. Oft verbinden sich mehrere auslösende Faktoren wie zum Beispiel
- Alter,
- unbehandelte Krampfadern,
- Thrombosen (Blutpropfen in den tiefen Bein- und Beckenvenen),
- hormonelle Störungen,
- Übergewicht,
- Rauchen,
- zu wenig Bewegung
Weil sich das Blut in den Beinvenen staut, entsteht dort mit der Zeit ein Rückstau. Die Venen erweitern sich. Unter dem Druck leiden auch die Venenklappen, die dafür sorgen, dass das Blut in den Beinen nicht zu den Füßen absinkt. Mit der Zeit „leiern“ die Venenklappen aus, weil sie sich nicht mehr gut schließen können. Das hat weitere schädliche Folgen auf die Kapillaren, die kleinsten Blutgefäße. Wegen des ständigen Rückstaus des Blutes sind sie nicht mehr in der Lage, das Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen.
Wichtiger Hinweis
Sollte Ihre Haut schlecht durchblutet sein, müssen Sie bei Verletzungen und Infektionen besonders aufpassen. Denn schon kleinste Hautabschürfungen, Schnitte oder auch ein Insektenstich können dann zu großflächigen offenen Wunden an den Beinen führen.
Ursache Durchblutungsstörung im Detail
Arterien haben die Aufgabe, Sauerstoff und Nährstoffe im Körper zu verteilen. Dieser Transport kommt ins Stocken, wenn sich Kalk oder Bindegewebe an den Arterienwänden ablagern (Arterienverkalkung). Solche Verschlüsse und Verengungen bezeichnet man als periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). Vor allem Rauchen, Bluthochdruck und hohe Blutfettwerte gelten als Risikofaktoren. Wird die Erkrankung nicht behandelt, können Wunden nicht mehr richtig heilen. Es bilden sich offene Geschwüre, die als Ulcis cruris arteriosum bezeichnet werden.
Wie erfolgt die Diagnose?
Zwar ist es für einen Arzt meist kein Problem, ein Ulcis cruris, ein offenes Bein, zu erkennen. Schon schwieriger ist es, die genaue Ursache herauszufinden. Das ist aber wichtig, denn die Therapie eines Ulcis cruris venosum, das auf eine Venenschwäche zurückgeht, unterscheidet sich von der eines Ulcis cruris arteriosum, bei dem arterielle Durchblutungsstörungen ursächlich sind. Hier liefern die Symptome gute Hinweise, denn auch sie unterscheiden sich zum Teil erheblich.
Wer über „müde“ und schwere Beine oder Schwellungen an den Beinen klagt, zeigt die ersten Anzeichen einer Venenschwäche bzw. einer chronisch-venösen Insuffizienz. Auch Krampfadern und Besenreißer weisen auf eine Durchblutungsstörung hin.
Wichtiger Hinweis
Wenn Sie gegen die Venenschwäche nichts unternehmen, verhärtet sich mit der Zeit die Haut und das Unterfettgewebe und an den Knöcheln erscheinen braune Flecken. Das ist ein weiteres Signal, dass die Erkrankung fortgeschritten ist. Am inneren Fußrand sowie am inneren Knöchel bilden sich dann Gefäßzeichnungen, die an Spinnweben erinnern. Dann sollten Sie jetzt unbedingt einen Venenspezialisten aufsuchen.
Wenn schließlich alle Hautzellen im Knöchelbereich abgestorben sind, reichen schon kleinste Verletzungen aus, damit eine Wunde nicht mehr heilen kann. Ein Ulcus cruris venosum ist entstanden. Es beginnt meist am Knöchel und vergrößert sich zum Unterschenkel hin. Häufig nimmt die Wunde dann eine sogannte „Galoschenform“ an, dass heißt, sie windet sich wie eine Galosche um das Bein herum.
Die weiteren Symptome eines offenes Beines bei einem Ulcus cruris venosum sind:
- trockene, schuppige und warme Haut,
- Knöchel- und Unterschenkelödeme,
- leichte bis stärkere Schmerzen (Einschränkung der Beweglichkeit wegen gestauter Beine),
- Wunde: feucht, nässend, schmierige, fibrinöse Beläge und entzündliche Ablagerungen
Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit treten die Wunden dagegen häufig an der Außenseite des Unterschenkels auf, manchmal aber auch an den Zehen und Fersen. Die Symptome eines Ulcus cruris arteriosum unterscheiden sich von denen eines Ulcus cruris venosum und sind:
- kalte, blasse bzw. weiße Haut,
- keine Ödeme (Schwellungen),
- starke Schmerzen (Wadenschmerzen und –krämpfe nach kurzer Gehstrecke, Linderung durch Stehenbleiben),
- Wunden: trocken, Nekrosen, tiefe Wunden (Sehnen und Knochen können sichtbar sein)
Neben dem äußeren Erscheinungsbild der Wunde helfen dem Arzt vor allem technische Untersuchungsmethoden, um die richtige Diagnose zu stellen:
- Anamnese (Befragung des Patienten durch den Arzt, Krankengeschichte),
- Knöchel-Arm-Druck-Index (KADI) mit Hilfe einer Blutdruckmanschette und einer Dopplersonde – um arteriellen Durchblutungsstatus festzustellen,
- Doppler-/Farbduplexsonographie – Ultraschall der Blutgefäße, um Struktur der Gefäße und den Blutfluss feststellen zu können,
- Stimmgabeltest – um Vibrationsempfinden und Tiefensensibilität zu überprüfen,
- Phlebografie – Röntgenbild der Venen (durch Kontrastmittel), um Blutgerinnsel und Venenverengungen zu finden,
- Lichtreflexionsrheographie – um Funktion der Venen zu untersuchen (Durchstrahlung der Haut mit Infrarotlicht),
- Blutuntersuchung – Entzündungswerte prüfen oder um zum Beispiel erhöhten Blutzuckerspiegel zu finden (Diabetes mellitus),
- Histologische Untersuchung – Gewebeprobe (Biopsie) um abzuklären, ob eventuell ein Hautkrebs Ursache des Geschwürs ist
Wie wird ein offenes Bein therapiert?
Die Behandlung eines offenes Beines baut auf zwei Pfeilern auf: Kausal- und Lokaltherapie. Bei der Kausaltherapie geht es darum, die Grunderkrankung möglichst zu beseitigen. In der Lokaltherapie behandeln Wundspezialisten die Wunde. Bevor eine Wundtherapie aber erfolgreich sein kann, muss erst ein gründliches Débridement, eine Wundreinigung, gemacht machen. Für die Kausaltherapie kommt es darauf an, ob ein offenes Bein auf einer chronisch venösen Insuffizienz oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit beruht.
Therapie des offenen Beines bei einem Ulcus cruris venosum:
- Kompressionstherapie mit Bandagen bzw. mit medizinischen Kompressionsstrümpfen.
- Eventuell intermittierende pneumatische Kompression (Manschetten werden aufgeblasen, Luft wird wieder abgelassen),
- Gehtraining,
- Reduktion von Übergewicht, ausgewogene Ernährung,
- manuelle Lymphdrainage,
- Chirurgische oder minimalinvasive Eingriffe wie zum Beispiel Venenverödung, Sanierung von Krampfadern, Fasziotomie (Druckentlastung des Gefäßes).
Wird bei einem offenen Bein ein Ulcus cruris arteriosum als Ursache ermittelt, kommen für die Kausaltherapie in der Regel folgende Maßnahmen in Frage:
- endovaskuläre Eingriffe wie Ballondilatation oder Einsetzen eines Stents,
- gefäßchirurgische Eingriffe wie Bypass-Operation,
- Gehtraining
- Risikofaktoren ausschalten wie zum Beispiel Rauchentwöhnung, Druckstellen vermeiden, Beine beim Schlafen tief halten.
Wichtiger Hinweis
Die bei einem Ulcis cruris venosum übliche Kompressionstherapie ist bei einem Ulcus cruris arteriosum nicht geeignet.
Für Patienten ist es ganz entscheidend, dass die sogenannte Revaskularisation gelingt, das Blut also wieder durch die Gefäße fließen kann. Ist das nicht möglich, stehen Patienten und Ärzte manchmal vor schwierigen Entscheidungen. Im schlimmsten Fall müssen Zehen, der Fuß oder sogar das Bein amputiert werden, damit sich lebensbedrohliche Infektionen nicht weiter ausbreiten können. Um das zu verhindern, sollten Patienten sich früh genug ärztliche Hilfe suchen. Gleichzeitig gilt es, die Therapie nicht nur den Ärzten zu überlassen. Mit einem aktiven Lebensstil, guter Hautpflege und gesunder Ernährung können Patienten die Wundheilung positiv beeinflussen.